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Sonnenuhr

Die Sonnenuhr an der Südostwand der Lutherischen Kirche

Seit 1997 trägt die Lutherische Kirche an ihrer dem Marktplatz zugewandten Seite eine „vertikal abweichende" Sonnenuhr. „Vertikal", weil sie an einer vertikalen Wand angebracht ist, „abweichend", weil die Längsachse der Kirche nicht genau von Ost nach West weist, sondern, entsprechend dem Straßenverlauf, um 40° gegen den Uhrzeiger abweicht. Der Schattenstab (das „Gnomon") zeigt in seiner Verlängerung von unten nach oben zum Himmelsnordpol (zum Polarstern); seine Schattenlinien werden vom Gitternetz darunter beschrieben: Die Strahlen (mit ihrem Ursprung im Fußpunkt des Schattenzeigers) zeigen die Stunden, die sie kreuzenden Linien zeigen den Schattenpunkt der Kugel (auf dem Gnomon) im Verlauf des Jahres. Dargestellt sind die Kurven des Schattenpunktes für die Tage, an denen die Sonne in ein neues Tierkreiszeichen eintritt. Die oberste zeigt also den Schatten-Verlauf eines Tages zur Wintersonnenwende im Dezember, die unterste den zur Sommersonnenwende am 21. Juni.

Die gerade von links nach rechts fallende Linie zeigt den Schattenverlauf der Kugel auf dem Gnomon zu Frühlings- und Herbstanfang (Widder-Waage-Linie). Der Schatten fällt senkrecht, wenn in Radevormwald die Sonne ihren Höchststand hat (sie „kulminiert“): dann ist hier „wahrer Mittag“ (XII). Dieser Zeitpunkt spielte bis zur Vereinheitlichung der Zeit im Zusammenhang mit der Ausbreitung der Eisenbahn eine bestimmende Rolle.

Aufmerksame Beobachter werden zumeist beim Uhrenvergleich mit ihrer eigenen Uhr Abweichungen der Zeitanzeige auf der Sonnenuhr feststellen, die im Jahresverlauf bis gut eine Viertelstunde betragen können. Dies liegt einmal daran, dass die Erde sich auf einer Ellipse um die Sonne bewegt und dabei berechenbare Schwankungen der Tageslänge verursacht (nach den von Kepler gefundenen Gesetzen), zum anderen, weil ihre Achse gegen die Ebene ihrer Bewegung um die Sonne geneigt ist (ca. 23,5°). Beide Abweichungen sind regelmäßig und lassen sich auf einer Sonnenuhr durch eine Korrekturkurve („Zeitgleichung" genannt) berücksichtigen. Die richtige Anzeige der mitteleuropäischen Zeit würde im ersten Halbjahr statt der Stundenstrahlen gekrümmte Linien verlangen. Im zweiten Halbjahr müssten sie ausgewechselt werden gegen Kurven.

Anhang_2

Damit würde die Anzeige von Sonnenuhren bei präziser Ausführung minutengenau, allerdings müsste für diese Anpassung in 7 m Höhe jedes Mal ein Gerüst aufgebaut werden (zwei weitere Male wegen Sommer- und Winterzeit).

Diese Sonnenuhr trägt auf dem 12-Uhr-Strahl eine Zeitgleichungskurve für das ganze Jahr, die eine Abschätzung der Abweichungen der Anzeige von der mitteleuropäischen Zeit über das Jahr auch für die anderen Tagesstunden zulässt. Ein kleiner Pfeil (Abb. 1) deutet den Kurvenast des ersten Halbjahres an (vgl. Abb. 1, 2 u. 3).

Auf den Wechsel der Anzeige nach Sommer- und Winterzeit wurde bewusst verzichtet: sie zeigt ganzjährig mitteleuropäische Zeit an, im Sommer eine Stunde zu wenig. Man kann erkennen, dass in Radevormwald zur Sommerzeit die Sonne erst gegen 13.30 Uhr ihren Höchststand erreicht.

Das Bergische Land gehört bekanntlich zu den sonnenärmsten Gegenden in Deutschland; vermutlich gibt es deswegen - auch aus früherer Zeit - kaum eine Sonnenuhr in unserer Gegend. Dennoch müssen auch bei uns vor dem Anschluss unserer Stadt an das Eisenbahnnetz vor mehr als 100 Jahren gelegentlich die Uhren richtig eingestellt worden sein, sogar die Kirchturmuhr.
 
Diese Sonnenuhr wurde gerechnet, hergestellt und der Gemeinde übereignet von Dr. Rudi Giersiepen und Fa. Zilgalvis.